Heute möchten wir Euch über eine wichtige Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Dezember 2021 (Az. II R 18/20) informieren, die weitreichende Auswirkungen auf die Steuerbefreiung des Familienheims hat.
Hintergrund der Entscheidung
Die Entscheidung betrifft die Beendigung der Selbstnutzung eines erbschaftsteuerlich begünstigten Familienheims. Konkret ging es um eine Alleinerbin, die das von ihrem verstorbenen Vater geerbte Einfamilienhaus aufgrund gesundheitlicher Probleme und baulicher Mängel nicht mehr bewohnen konnte.
Der Sachverhalt im Detail
Die Klägerin erbte im März 2009 ein Einfamilienhaus von ihrem Vater und bewohnte es zunächst weiter. Im August 2016 zog sie jedoch aus und das Haus wurde einen Tag später abgerissen. Als Begründung führte sie an:
- Das Haus sei aufgrund baulicher Mängel nicht mehr bewohnbar gewesen
- Gesundheitliche Probleme (Bandscheibenvorfälle, Hüftleiden, Angststörung) hätten ihr die Nutzung unmöglich gemacht
Das Finanzamt verweigerte daraufhin die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
Die wegweisenden Leitsätze des BFH
Der BFH hat in seiner Entscheidung zwei wichtige Leitsätze aufgestellt:
- Objektive Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit: Der Erwerber ist aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert, wenn diese objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus.
- Gesundheitliche Beeinträchtigungen: Diese können zwingende Gründe darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unzumutbar machen.
Wichtige Klarstellungen zur Praxisanwendung
Bezug auf das konkrete Familienheim
Besonders bedeutsam ist die Klarstellung, dass sich die Hinderungsgründe nur auf die Selbstnutzung des betreffenden Familienheims beziehen müssen. Es ist nicht erforderlich, dass der Erwerber schlechthin nicht mehr in der Lage ist, einen Haushalt zu führen – auch an einem anderen Ort.
Strenge Auslegung bleibt bestehen
Der BFH betont, dass die Steuerbefreiungsvorschrift weiterhin eng auszulegen ist. Dies gilt auch für die Rückausnahme von der Nachversteuerung. Die Feststellungslast für die Umstände, die eine Selbstnutzung objektiv unmöglich oder unzumutbar machen, trägt der Erwerber.
Externe Hilfe und Pflegeleistungen
Ein zwingender Grund kann auch vorliegen, wenn der Erwerber zwar unter Zuhilfenahme externer Hilfe- und Pflegeleistungen noch in dem Familienheim leben könnte, diese jedoch ein solches Ausmaß annehmen, dass nicht mehr von einer selbständigen Haushaltsführung gesprochen werden kann. Die bloße regelmäßige Inanspruchnahme üblicher Unterstützungsleistungen genügt allerdings nicht.
Praktische Auswirkungen
Einzelfallprüfung erforderlich
Die Entscheidung macht deutlich, dass jeder Fall einer individuellen Prüfung bedarf. Das Finanzgericht als Tatsacheninstanz muss eine Gesamtwürdigung aller Umstände vornehmen.
Nachweispflicht der Erben
Erben müssen bei gesundheitlichen Problemen detailliert nachweisen, dass diese eine selbständige Haushaltsführung im konkreten Familienheim unzumutbar machen. Bloße Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus.
Keine Rolle spielt die Haushaltsführung andernorts
Die Tatsache, dass der Erbe möglicherweise an einem anderen Ort einen Haushalt führen kann, ist für die Beurteilung unerheblich. Dies stellt eine wichtige Erleichterung für die Praxis dar.
Bedeutung für die Beratungspraxis
Diese Entscheidung bietet Erleichterungen für Erben, die aus gesundheitlichen Gründen ihr Familienheim nicht mehr nutzen können. Wichtig ist jedoch eine sorgfältige Dokumentation:
- Ärztliche Atteste über gesundheitliche Beeinträchtigungen
- Nachweis der Unmöglichkeit einer selbständigen Haushaltsführung im konkreten Objekt
- Objektive Gründe müssen dargelegt werden
Fazit
Die BFH-Entscheidung vom 1. Dezember 2021 bringt wichtige Klarstellungen zur Familienheim-Befreiung. Während die grundsätzlich enge Auslegung der Vorschrift bestehen bleibt, wird die Prüfung der zwingenden Gründe praxisgerechter gestaltet.
Die wichtigsten Punkte für Euch:
- Gesundheitliche Gründe können eine Nachversteuerung verhindern, wenn sie eine selbständige Haushaltsführung im konkreten Familienheim unzumutbar machen
- Es muss nicht nachgewiesen werden, dass generell kein Haushalt mehr geführt werden kann
- Eine sorgfältige Dokumentation ist entscheidend
- Jeder Fall bedarf einer individuellen Prüfung
Unsere Unterstützung für Euch
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Beste steueroptimierte Grüße von den
#Steuerknaben